Der traditionelle Ansatz des Qualitätsmanagements steht vor wachsenden Herausforderungen: Die Komplexität der Lieferketten in Verbindung mit den hohen Erwartungen der Verbraucher hat gezeigt, dass reaktive Methoden nicht ausreichen, um Qualitätsprobleme wirksam anzugehen – und nachhaltig abzustellen. Innovative Anwendungen, welche das Potential von generativer künstlicher Intelligenz (GenAI) nutzen, ermöglichen im Qualitätsmanagement industrieübergreifend unterschiedliche Anwendungsfälle, die das eigene Unternehmen effizienter und profitabler machen.

In einer im April 2023 durch das Capgemini Research Institute veröffentlichten Studie stimmten 96% der befragten Organisationen dem Statement zu, dass GenAI ein Thema bei Vorstandssitzungen sei. 74% sahen zudem mehr Möglichkeiten als Risiken bei der Nutzung der Technologie. Trotz enormem Interesse und Potenzial findet die Technologie bisher weder im Qualitätsmanagement noch in der Fertigung ihre Anwendung.

Aus Gesprächen mit unseren Kunden wissen wir, dass dies zunächst daran liegt, dass Ideen fehlen, wie GenAI sinnvoll eingesetzt werden kann. Ein weiterer Grund ist, dass oft falsche Use Cases ausgewählt werden, die weit hinter den Erwartungen zurückbleiben und keinen wirtschaftlichen Mehrwert liefern.

Acht konkrete Anwendungsfälle für GenAI im Qualitätsmanagement in der Fertigung

Viele Unternehmen haben damit begonnen ihre Fertigungsprozesse vollständig zu digitalisieren. Gerade im Qualitätsmanagement wird eine durchgängige Datenkontinuität immer wichtiger, um z.B. Mängel rückverfolgen zu können. Immer mehr Informationen werden daher in digitaler Datenform in unterschiedlichsten Datenmanagement-Systemen gespeichert. Hieraus ergibt sich ein enormer Datenschatz, der nur darauf wartet vollständig gehoben zu werden. Der Brückenschlag zu GenAI, einer vollständig datengetriebenen Technologie, liegt auf der Hand. Vor allem auch dadurch, dass GenAI Anwendungen dabei helfen können die Transparenz unstrukturierter Daten zu verbessern, sowie geringe Datenqualität auszugleichen. Doch wie können Anwendungen in der Fertigung aussehen? An dieser Stelle möchten wir acht konkrete Use Cases vorstellen:

1) GenAI-basierter Chatbot für Qualitätsvorfälle:

Person 1 ist Produktionsleiterin in einem zukunftsorientierten Fertigungsunternehmen. Sie kämpft nicht mehr mit der Herausforderung, Unmengen von Daten zu durchsuchen, um Qualitätsvorfälle zu verstehen. Stattdessen verlässt sie sich auf einen GenAI-basierten Chatbot, der auf einem Large Language Model (LLM) basiert. Dieser Chatbot versorgt sie auf Anfrage mit Echtzeitinformationen über das Auftreten, die Verantwortung, die Ursache, die Korrekturmaßnahmen, die Kosten und den Status jedes Qualitätsvorfalls. Sie kann nun schnell fundierte Entscheidungen treffen und so einen proaktiven Ansatz für das Qualitätsmanagement sicherstellen.

2) Berichterstattung über Qualitätsvorfälle in Echtzeit:

Person 2, ein Instandhalter, erlebt die Leistungsfähigkeit von GenAI bei der Analyse von unstrukturiertem Echtzeit-Feedback von Maschinen und Personal. Die KI meldet einen Qualitätsvorfall, z.B. bei einem stark negativen Qualitätsbereich oder Abweichungen der Maschinenparameter, und ermöglicht sofortige Korrekturmaßnahmen. Diese Echtzeit-Reaktionsfähigkeit stellt sicher, dass der Produktionsprozess nur minimal von Qualitätsproblemen gestört wird.

3) GenAI-unterstütztes automatisiertes Qualitätsreporting:

Person 3 ist Qualitätskontrollspezialistin, und hat früher Stunden damit verbracht, Qualitätsberichte manuell zu erstellen. Mit der Unterstützung von GenAI diktiert Person 3 den Bericht jetzt einfach mündlich. Das GenAI-System filtert irrelevante Informationen heraus und fügt diese in ein definiertes Template ein. Dies spart nicht nur Zeit, sondern erhöht auch die Präzision der Berichte, so dass sich das Unternehmen auf kritische Qualitätsfragen konzentrieren kann.

4) GenAI-unterstützte Klassifizierung von Nichtkonformitäten:

Person 4, ein Data Analyst, wird von GenAI befähigt, Nichtkonformitäten auf der Grundlage relevanter Parameter zu gruppieren. Dieses Clustering schafft eine erhöhte Transparenz und ermöglicht eine Priorisierung zur Behebung von häufig auftretenden Problem. Hierdurch werden Daten aus dem Qualitätskontrollprozess genutzt, um die eigenen Prozesse besser zu verstehen.

5) GenAI-unterstützte Ursachenvorhersage:

Person 5, eine Qualitätsanalystin, überwacht wie die KI Muster, Trends und Ähnlichkeiten aus Qualitätsberichten analysiert. Für auftretendene Probleme schlägt die KI Ursachen mit Wahrscheinlichkeiten vor und lernt kontinuierlich aus den Live-Daten. Als „Human-in-the-loop“ kann Person 5 die Vorhersagen bewerten und schärfen. Dies ermöglicht es dem Unternehmen die Ursachenfindung stark zu beschleunigen.

6) Maßnahmenvorschläge zur Behebung von Qualitätsproblemen:

Person 6, eine Qualitätsingenieurin, nutzt ein LLM, welches durch eine lokale Datenbank-Abfrage auf die Dokumentation des gesamten Fertigungsprozesses zugreifen kann. Aufgrund dieses erweiterten Kontexts kann die KI Maßnahmen zur Minderung und Behebung von erkannten Qualitätsproblemen vorschlagen. Dieser proaktive Ansatz minimiert nicht nur die Auswirkungen von Qualitätsproblemen, sondern trägt auch zur kontinuierlichen Verbesserung bei.

7) GenAI-unterstütztes Training für Mitarbeitende:

Person 7, ein neuer Qualitätsmitarbeiter, profitiert von GenAI-gestütztem Training, das AR- und VR-Technologien nutzt. Die KI erstellt hierbei eigenständig Trainingssituationen mit realistischen Szenarien, die reale Arbeitsumgebungen imitieren. Dieses immersive Training ermöglicht es den Mitarbeitenden, Fähigkeiten zu erwerben und zu verbessern, und trägt so zu einer Belegschaft bei, die nicht nur theoretisch qualifiziert ist, sondern sich auch praktisch an unterschiedliche Produktionsanforderungen anpassen kann.

8) GenAI-basierte Qualitätskontrolle durch Bildverarbeitung:

Person 8 bedient als Qualitätskontrolleurin ein visuelles Qualitätskontrollsystem. Das auf „Machine Vision“ aufbauende System wurde nur mit einem vergleichsweise kleinen Bild-Datensatz auf den Fehlerkatalog des Unternehmens angelernt. Während klassische KI-basierte Systeme noch große Datensätze mit gelabelten Bildern benötigten, ist durch effektives „finetuning“ ein GenAI-basiertes System bereits in der Lage mit hoher Präzision Defekte zu erkennen. Anschließend muss Person 8 nur noch Feedback hinsichtlich der detektierten Fehler geben und trägt hiermit kontinuierlich zur Verbesserung der Anwendung bei.

GenAI ist im Qualitätsmanagement bereits angekommen

All diese Szenarien sind keine Zukunftsvisionen, sondern konkrete Anwendungen, die Capgemini bereits bei Unternehmen im Qualitätsmanagement umsetzt. GenAI bietet umfassende Möglichkeiten einen intelligenten Qualitätsmanagementprozess mitzugestalten. Entscheidend bei der Umsetzung sind hierbei, neben der Erörterung unternehmensspezifischer Anforderungen, die Auswahl der effektivesten Anwendungen zur Generierung von schnellem Mehrwert.